Das Marianne-Doell-Haus bedankt sich für unsere Spende

Liebe Soroptimisten vom Club Hamburg,

vor einigen Tagen fuhr ich mit dem Fahrrad nach der Arbeit nach Hause, während ich gedanklich noch im Büro war. Es war dunkel, kalt und nur ein leichter Nebel hing in der Luft. Kurz vor dem Lessingtunnel, einer vielbefahrenen Straße, schwappte plötzlich eine große, köstlich duftende Geruchswolke gebrannter Mandeln herüber. Rätselhaft, wie mich an diesem Ort der Inbegriff von Winter und Adventszeit wie aus dem Nichts schmeichelnd umhüllte und meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Kraft uns Gerüche und Bilder gefangen nehmen und Stimmung und Gedanken beeinflussen können. Dieses unmittelbare Wohlsein wollen wir auch den Bewohnerinnen im Haus bieten.

Deswegen freue ich mich um so mehr, wenn meine Kolleginnen den Gruppenraum schmücken und mit duftendem Tannengrün bestücken, so dass die Sprechstunden für die Frauen in vorweihnachtlicher Atmosphäre stattfinden, gemeinsam Plätzchen gebacken werden und nicht zuletzt am 19.12. für alle der große Weihnachtsschmaus ausgerichtet wird: lauter schöne Aktionen, die von köstlichen Düften begleitet werden und die Seele berühren.

Und damit komme ich zu Ihnen, die Sie uns erstmalig oder seit vielen Jahren auf unterschiedliche Weise unterstützen. Einige von Ihnen beteiligen sich finanziell an der jährlichen Kurzreise, andere bringen uns Sachspenden ins Haus, die vom Keks über Kleidung bis zur Kommode reichen und damit füttern Sie unsere täglichen Sprechstunden, bereichern den Kleiderschrank der Frauen und tragen zur Wohnungseinrichtung von ausziehenden Bewohnerinnen bei. Darüber hinaus erhalten wir durch eine Stiftung eine jährliche, nicht zweckgebundene Summe, die uns dabei hilft, den laufenden Betrieb zu unterhalten. Andere von Ihnen engagieren sich finanziell, damit wir einen Teil der 450,- EUR- Kraft bestreiten können und weitere von Ihnen sind Gast einer Feier und schenken,

auf Bitte des Gastgebers, Geld zu unseren Gunsten. Ein Verein lud die Bewohnerinnen im Sommer zum Ausflug ins Hafenmuseum inkl. Kaffee und Kuchen ein. Eine Spenderin packte kleine Tütchen mit Kosmetikartikeln, um sie am Nikolaustag vor die Wohnungs-türen legen zu können. Von einem Club erhalten wir liebevoll zusammengestellte Weihnachtspakete für die Bewohnerinnen und eine Firma übernimmt den Einkauf für das große Weihnachtsessen und beschenkt uns mit Töpfen und Pfannen. Last but not least ermunterte uns unser nahestehender Vermieter, die Wichern-Baugesellschaft, das Mobiliar inkl. der Küchenzeilen der Appartements nach fast 20-jähriger Dauernutzung, zu erneuern. Ermöglicht wurde dieser große finanzielle Aufwand durch die erhebliche Unterstützung einer Stiftung sowie der Wichern-Baugesellschaft selbst. Die Arbeiten dauern noch an.

Wir danken Ihnen sehr für alle aufgeführten Beiträge, die Sie im Rahmen Ihres auf-merksamen und großzügigen Engagements für das Marianne-Doell-Haus geleistet haben. Nur durch Menschen wie Sie können wir die Arbeit für die wechselnden Bewohnerinnen im bewährten Umfang ermöglichen und behilflich sein, individuelle Gründe für die Wohnungslosigkeit zu erkennen /zu befassen bearbeiten sowie den Weg in die (wieder) eigene Wohnung zu finden. Herzlichen Dank für Ihre Hilfe!

Im ersten Quartal 2017 waren wir noch auf der Suche, aber seit dem 1.4.2017 freuen wir uns über die Nachfolgerin der bisherigen geringfügig Beschäftigten: unsere (jetzt nicht mehr ganz so neue) Kollegin heißt Margret Westhoff, ist Ende Vierzig und wir sind froh, sie für unsere vielseitige sowie hinsichtlich der Einsatzzeiten aufwändige Arbeit gewonnen zu haben. Ansonsten ist unser Team unverändert: Irene Haarmeyer, Jutta Heinrichs, Margareta Duschek und Gudula Ambrosi sind Ehrenamtliche und ohne ihre verbindliche Arbeit im Haus und mit den Bewohnerinnen wäre die Qualität im Marianne-Doell-Haus nicht möglich.

 

Seit Erstbezug unseres Hauses im August 1998 sind mittlerweile 236 Frauen ausgezogen: 11 waren es in diesem Jahr, womit wir (auf die bisherigen Jahre schauend) eine für uns normale Fluktuation hatten. Sieben fanden ihre eigene Wohnung, zwei entschieden sich aus guten Gründen für das Leben in einer stationären Einrichtung und zwei schlossen einen Untermietvertrag. Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden, denn wir haben den Ein-druck, dass jede Frau die für sich passende Entscheidung getroffen und nach mühevoller Arbeit einen erfolgreichen Umzug in einen neuen Lebensabschnitt geschafft hat. Das Altersspektrum bewegte sich ähnlich wie im letzten Jahr zwischen 18 – 54 Jahre, wobei ¾ der Bewohnerinnen über 30 Jahre alt war. Auch die durchschnittliche Verweildauer ähnelt mit knapp 11 Monaten der letztjährigen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg weiterhin verschärft. Die Wohnungssuche nimmt einen viel größeren Raum ein als in früheren Jahren und ist quasi zu einem Halbtagsjob für die Bewohnerinnen geworden, der oft von Verzweiflung und vielen Enttäuschungen begleitet wird. So gut es geht versuchen wir die Frauen in vielen Gesprächen zu unter-stützen und immer wieder zu motivieren: bloß nicht aufgeben!

Und damit Zahlen auch ein Gesicht annehmen, erzählt nun eine ehemalige Bewohnerin (Ende 40) aus ihrem Leben:

Ich sehe noch sehr oft aus einem Fenster in einer Wohnung, die ich schon seit Jahren nicht mehr besitze. Ich streichele meine Katzen, doch auch sie sind reine Erinnerung. Ich schaue auf die Elbe. Nur wenige Stufen unterhalb liegt mein größter Schatz – mein ehemaliges Restaurant & Hotel. Vor Jahren galt ich als erfolgreiche und angesehene Geschäftsfrau und währenddessen war ich schon längst alkoholkrank. Durch mehrere Schicksalsschläge verlor ich letztlich in einer Nacht mein ganzes Leben. Wie geht so etwas? Mein Vater war gestorben, meine Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin eröffnete mir ihren privaten und geschäftlichen Betrug, der Vermieter unserer Gastronomie stand in der Tür und verlangte wegen erheblicher Mietrückstände die Schlüssel zurück. In diesem Moment überrollte mich alles: meine komplette Existenz war zerstört und ich verlor mich selbst.

Mit der Feuerwehr kam ich für drei Monate in die geschlossene Psychiatrie und anschließend absolvierte ich einen sechsmonatigen Alkoholentzug. Während dieser Zeit war ich völlig perspektivlos, ich hatte meine Sprache verloren, hatte kein Vertrauen mehr in mich und andere. Was war denn von mir übrig? Ich hatte nur noch einen kaputten Körper und eine zerstörte Seele!

Zum Glück konnte ich direkt im Anschluß an die Therapie in eine stationäre Einrichtung (einen Hof) auf dem Land ziehen. Dort lebte und arbeitete ich für sechs Jahre, worüber ich sehr froh war. Gleichzeitig war es eine schwere Zeit: es gab keine Privatsphäre (Doppel-zimmer und keine Schlüssel). Ich litt zusätzlich unter mehreren somatischen Erkrankungen und bekam viele, zum Teil auch sedierende Medikamente, die mein Denkvermögen beein-trächtigten. Deshalb war ich kaum in der Lage, mir Gedanken über eine Rückkehr in ein normales, gesundes Leben zu machen und ich hatte nur sehr wenig Hoffnung, es über-haupt zu schaffen.

Dennoch trieb mich der Wunsch an, in mein geliebtes Hamburg zurückkehren zu wollen. Darüber hatte ich viele und anstrengende Gespräche mit den Psychotherapeuten und wir entwickelten in langer und mühevoller Kleinarbeit die Idee, dass ein Übergangswohnen im Marianne-Doell-Haus für mich passend sein könnte. Das dortige Aufnahmegespräch ergab jedoch, dass meine Vorstellung, weiterhin auf dem Hof ganztags zu arbeiten und im Marianne-Doell-Haus zu wohnen, nicht vereinbar war, denn für die notwendige Wohnungssuche in Hamburg hätte ich gar keine Zeit gehabt. Insofern blieb ich also weiterhin in der stationären Einrichtung, wurde jedoch dadurch nicht glücklicher. Meine nicht erlangte Rückkehr in ein eigenständiges Leben nagte an meiner Seele und ich flüchtete mich in einen schweren Alkoholrückfall, der mit einem Suizidversuch seinen Höhepunkt fand. Ich kam erneut für vier Monate in die Psychiatrie und mußte wegen meines Regelverstoßes den Hof verlassen. Erneut stand ich vor dem Nichts. Ich erinnerte mich dann während meiner Klinikzeit an das Marianne-Doell-Haus, nahm Kontakt auf und wurde zu einem zweiten Gespräch eingeladen. Ich erzählte ehrlich und ausführlich meine derzeitige Situation und aufgrund meiner Bereitschaft, die Mitarbeiterinnen mit meinen behandelnden Ärzten und Therapeuten Rücksprache halten zu lassen, führte zum Glück dazu, dass ich ins Marianne-Doell-Haus einziehen konnte.

Ich hatte zunächst nichts weiter als meine Kleidung und somit war mein Einzug be-scheiden: Matratze, Bettzeug und Geschirr erhielt ich aus dem Fundus des Hauses. Das Gefühl, nach sechs Jahren wieder über eigene Schlüssel und eigene vier Wände zu verfügen, war überwältigend. Ich zog als erstes die Gardinen im Appartement zu und begann zu singen und zu tanzen. Endlich wieder Privatsphäre, Luft und Ruhe! Ich nutzte häufig die täglichen Sprechstunden im Marianne-Doell-Haus, begann mir ein neues soziales Umfeld zu suchen und fand zunehmend meine Sprache wieder. Viele Probleme blieben natürlich: z.B. die Schwierigkeiten mit der Behörde, der privaten Krankenver-sicherung und die Auswirkungen meiner vielen, verordneten Medikamente. Obwohl mich seit Jahren eine gesetzliche Betreuerin unterstützt, ist es leider nicht gelungen, meine private Krankenversicherung zu einer zeitnahen und reibungslosen Abwicklung mit der Apotheke zu bewegen. Als dann eines meiner Medikamente aufgebraucht war und ich keine Möglichkeit hatte, finanziell in Vorleistung zu gehen, wuchs mein Suchtdruck und ich verlor meinen Kampf gegen die Abstinenz – Rückfall!

Weil ich mich an die Absprache mit dem Marianne-Doell-Haus halten wollte, habe ich mich noch während des Trinkens selbständig auf den Weg ins Krankenhaus begeben. Ich habe sofort die Mitarbeiterinnen über den Vorfall informiert und nach meiner Entlassung haben wir täglich reflektierende Gespräche geführt, um mein weiteres Wohnen im Hause zu ermöglichen. Das Wissen und Erleben, mit allen Schwierigkeiten ins Büro kommen und sprechen zu können, hat mir sehr geholfen, Vertrauen aufzubauen und mich nach und nach zu stabilisieren.

Nach knapp 1 ½ Jahren habe ich endlich eine eigene Wohnung gefunden, die ich mir mit großer Freude langsam nach meinem Geschmack gestaltet und eingerichtet habe. Um nicht mutterseelenallein mit der neuen Wohnsituation zu sein, habe ich mich rechtzeitig vor dem Auszug um eine ambulante Betreuung bemüht, die mich u.a. durch Gespräche unterstützt. Gleichzeitig bin ich froh, auch als ehemalige Bewohnerin im Marianne-Doell-Haus willkommen zu sein, um bei Bedarf nochmal ein vertrauliches Gespräch führen zu können. Ich bin dankbar für die Zeit im Marianne-Doell-Haus, die mit dafür verantwortlich war, es in mein neues Leben geschafft zu haben.

Wir freuen uns, zum offenbar richtigen Zeitpunkt der passende Ort mit einem hilfreichen Angebot für diese Frau gewesen zu sein – und Sie haben auf Ihre Weise dazu beigetragen!

Wir wünschen Ihnen mit Ihren Familien und Freunden ein fröhliches Weihnachtsfest, wenn möglich auch ein paar erholsame Tage und ein gesundes und hoffnungsvolles neues Jahr,

herzliche Grüße aus dem Marianne-Doell-Haus

Susanne Rohrmann & Team




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