Unser Projekt in Afghanistan - Chak-e-Wardak

 

Auszüge aus dem privaten Bericht von Karla Schefter vom März 2018 in Kabul:

Wieder einmal ging es auf die lange vorbereitete Reise nach Afghanistan. Der freudige Empfang durch die Mitarbeiter ließ den Regen nebensächlich erscheinen. Schon in Deutschland schwärmte ich davon, ich würde drei Festtage in Kabul verleben, und wie ich sie schon etwas vorbereitete.

Eingespielt wie ein Ritual das Köfteessen von Abdul Latifs Frau. Danach Auspacken, provisorisches Einrichten. Am nächsten Tag Aufteilung und Zusammenstellung der mit viel Liebe und Freude zusammengetragenen Spenden in Wundertüten für jeden Mitarbeiter.

Das Wetter hat sich gebessert, ich brauche kein elektrisches Öfchen mehr. Dafür fällt die Elektrizität häufig aus, tagsüber und auch schon mal eine ganze Nacht. Fernsehen kann ich so gut wie gar nicht. Deutschland hat das ZDF gekappt. Auch zwei andere Kanäle in Deutsch, aus der Schweiz erhältlich, können wir nicht nutzen. Schade, da Fernsehen ablenkt, besonders in schlaflosen Nächten, wenn nicht gerade die Elektrizität weg ist. Gerade in der Nacht übertönt es auch Geräusche von draußen, die zu denken geben. Lesen auch nicht möglich.

Jetzt erfuhr ich, dass Taliban die Hauptleitung der Elektrizität für Kabul, die aus Baghlan kommt, explodieren ließen. Also vorerst keine Elektrizität. Eine Nacht, einen Tag haben wir so schon hinnehmen müssen.

Der 21. März ist Naurooz, das Neujahrsfest auch der Afghanen, am Donnerstag fing das Wochenende an. Die meisten Organisationen gaben auch den Samstag frei. Wir nicht: wir nutzten diese Tage intensiv für Gespräche, Korrekturen, Ausrechnen der neuen Gehälter, Vorbereitung der kommenden Tage. Ab Samstag Einkäufe, Bank etc, etc. Als Geschenk des Komitees konnte ich den Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung ankündigen, sorgfältig berechnet von unserem Schatzmeister. Die Lebenshaltungskosten waren im Laufe der Jahre erheblich gestiegen. Der Afghani ist auf die Hälfte gesunken.

Überschattet wurde dieser freudige Tag durch einen Selbstmörderanschlag auf einen schiitischen Schrein, wo sich viele Menschen zum Neujahrstag versammelt hatten um zu beten. Dementsprechend gab es viele Tote und Verletzte.

Der Sohn unseres langjährigen Mitarbeiters Abdul Latif hatte und hat eine Halbtagsstelle. Mit dem Gehalt studierte er in Peshawar / Pakistan Wirtschaft: MBA (Master of Business Administration – Human Resources Management), BBA (Bachelor of Business Administration), DBA-Finance (Diploma in Business Administration-Finance), DEL (Diploma in English Language), High School (Baccalaureate). Es waren der Vater Abdul Latif und sein Sohn Abdul Waheed, die das Büro in Kabul einrichteten, nachdem wir Peshawar verlassen mussten. Ohne das Wissen von Abdul Waheed wäre das nicht möglich gewesen. Er spricht und schreibt perfekt Englisch, beherrscht voll die Technik mit Internet, Computer etc. Durch die Halbtagsstelle ist es möglich, dass er seit einem Jahr auch an der Universität in Kabul lehrt: Principles of Management, Human Resources Management, International Business, Organizational Behavior, Performance and Reward Management, sowie Thesis Supervision, was auch wieder seinem Land zugutekommt.

Die Landflucht besteht weiter. Wer es finanziell schaffen kann, zieht nach Kabul, um den Kindern, besonders auch den Mädchen, bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Für sie wie für das Land bedeutet es die bessere Zukunft. Von unseren 77 Mitarbeitern leben inzwischen 13 in der Stadt. Sie arbeiten bei uns weiter, sehen ihre Familien am Wochenende.

Besonders nachhaltig wirkt sich die Beschäftigung unserer Mitarbeiterinnen aus. Sie werden und sind sichtbar selbstbewusster. Sie geben ihre Einstellung, ihr Wissen weiter an ihre Töchter und Söhne. Es weitet sich beispielhaft aus zu den Familien und Dorfgesellschaften. In unserer internen Hospitalschule hat es Auswirkungen auf die Jungen und Mädchen, die in einer Klasse zusammen unterrichtet werden. Was ist nachhaltiger als die Gesundung der Kranken?

Leider verstarb ja unsere besondere Lehrerin. Wir konnten inzwischen einen Ersatz finden. Was heißt Ersatz? Die Familie erlaubte es dieser Frau nur kurze Zeit. Wir konnten erneut eine junge Frau einstellen. Heute am Karfreitag kam die neue Lehrerin Amina aus Chak. Machte einen sehr guten Eindruck. Sie ist sehr wissbegierig, gibt ihr Wissen weiter an die Kinder. Ihr Vater war Schulleiter, unterrichtete sie während der Talibanzeit zwei Jahre lang. Nach Talibansturz ging sie in Chak in die Schule, später in Kabul. D. h. die Familie war interessiert, dass sie lernen sollte. Für Amina ist es ein Vorteil, dass sie ihre zwei Kinder mit in die Schule nehmen kann, die Tochter drei, der Sohn fünf Jahre alt. Durch den inzwischen verstorbenen Vater kam der Kontakt zu seiner Schule, einer Regierungsschule zustande. Durch ihn erhielten wir Schulbücher für unsere Kinder. Der Kontakt ist geblieben, und wir werden weiter mit Lehrmaterial versorgt.Der neue Chirurg wird sehr gelobt. Auch ihn werde ich kennen lernen.

Am Nachmittag kamen Mitarbeiter die ihre Familien hier in Kabul haben. Sie brachten den neuen Chirurgen mit. Alle mögen ihn und meinen, er sei ein Gewinn und passt zu uns Auch er ist zufrieden mit dem Hospital, mit den Mitarbeitern. Ich finde ihn symphatisch, ein Glücksfall. Es ist nicht einfach, einen Chirurgen für die Provinz zu finden, obwohl gerade dort besonders wichtig.

Wichtige Arbeiten konnten erledigt werden “Über jeden Berg gibt es einen Weg.”




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