Weihnachtsgrüße aus dem marianne-doell-haus

Liebe Frau Präsidentin Wendt, liebe Clubschwestern,

nachdem es im November fast täglich nieselig bis sintflutartig regnete, hat Petrus Ende November den Schalter schlagartig auf „Winter“ umgelegt und wir mussten unter der dicken Jacke wärmere Pullover anziehen sowie Art und Tempo der Fortbewegung draußen anpassen. Vielleicht waren auch Sie deswegen hin und wieder genervt und dachten ähnlich wie ich: Wegen der vereisten Radwege sollte ich mein Fahrrad lieber partiell schieben, warum fällt ausgerechnet jetzt die Bahn wegen technischer Probleme aus, mir ist kalt, es zieht usw. Manchmal gelingt es mir, einen zweiten Gedanken hinterherzuschieben, der ungefähr so lautet: Ja, ich muss jetzt langsamer fahren oder länger warten und frieren, aber ist das wichtig? Angesichts dessen, was sich in der Welt abspielt sowie der Not der Menschen hier zu Lande, die weder äußerlich warm und geschützt leben noch innerlich sicher und beheimatet sind, erübrigt sich eine Antwort.

Was bzw. wer wichtig ist, sind Sie. Durch Ihr Interesse und Ihre Bereitschaft zu helfen, erfährt das marianne-doell-haus mit seinen Bewohnerinnen eine entscheidende Stärkung. Dieser Rückhalt ermöglicht uns, die Arbeit in bewährter Form ausüben zu können. Mit Ihrer finanziellen Beteiligung an laufenden Kosten und aufgrund von ins Haus gelieferten Naturalien für unsere Sprechstunden, Nikolaus- und Weihnachtsgeschenken sowie gut erhaltenem Hausrat für die Bewohnerinnen, stellen Sie uns Ressourcen zur Verfügung, die wir dringend benötigen. Dafür danken wir Ihnen sehr!

Eben klingelte eine ehemalige Bewohnerin an der Tür, die ich nicht kannte, weil sie während meiner 2-jährigen Abwesenheit im mdh wohnte. Natürlich bat ich sie herein und es war zu merken, dass sie erzählen wollte. Sie informierte mich kurz über ihren persönlichen Hintergrund, um nun zu berichten, dass ihre jugendliche Tochter wieder bei ihr lebe, sie selbst eine berufliche Qualifizierung hinter sich habe und mit 35 Wochenarbeitsstunden in einem Altersheim arbeite. Somit sei sie jetzt finanziell selbständig und genieße – nach langjähriger Alkohol- und Drogenabhängigkeit, einer erfolgreichen Therapie und dem anschließenden Wohnen im marianne-doell-haus – ihr neues, gutes Leben. Der grundsätzliche Suchtdruck sei zwar noch vorhanden, nähme aber weiterhin stetig ab. Sie sei so dankbar, dass es u.a. eine Einrichtung wie diese für sie gegeben habe.- Ich fühlte mich reich beschenkt durch diesen unverhofften Besuch und will Ihnen deswegen diese kleine Begebenheit weitergeben.

Das fast abgelaufene Jahr im marianne-doell-haus ist geprägt durch endlich überflüssig gewordene Einschränkungen wegen Corona sowie Personalveränderungen und unser 25-jähriges Jubiläumsfest ragt ebenfalls aus dem alltäglichen Geschäft.

Während wir noch im letzten Jahr die Weihnachtsfeier für die Bewohnerinnen nur für jeweils 5 Bewohnerinnen ausrichten durften und inkl. Januar 2023 noch Masken tragen, längere Gesprächskontakte notieren und dauernd lüften mussten, konnte ab Februar unser Betrieb wieder leichtfüßiger werden. Wir haben Glück gehabt, keine schweren Corona-Krankheitsverläufe, weder von Bewohnerinnen noch im Team, erlebt haben zu müssen und hoffen, dass auch Sie und Ihnen nahestehende Menschen von schlimmen Verläufen verschont wurden.

Schweren Herzens haben wir im Frühjahr unsere beiden ehrenamtlichen Kolleginnen, Irene Haarmeyer und Jutta Heinrichs, verabschiedet. Frau Haarmeyer startete im Oktober 2001 und entschied sich aus familiären Gründen nach über 20-jähriger Tätigkeit im marianne-doell-haus, ihren Dienst zu quittieren.

Frau Heinrichs begann mit ihrer Arbeit im Februar 2004 und befand nach fast 20-jähriger Mitarbeit, nun aus Altersgründen ausscheiden zu wollen.

Sowohl die Bewohnerinnen als auch wir bedauern sehr das Ende dieser Ära. Wir vermissen ihre fachlichen Einschätzungen, ihr großes Herz (für die Bewohnerinnen sowie das Haus an sich), ihre Herangehensweise besonders bei schwierigen Gesprächslagen mit Bewohnerinnen, ihr über die normale Arbeit hinaus gezeigtes Engagement für die Belange der Einrichtung, ihre konstruktive Art im Team und nicht zuletzt unzählige fröhliche, anregende sowie unterstützende Momente ganz privater Natur. Bei allem Abschiedsschmerz sind wir gleichzeitig dankbar für die viele wertvolle Arbeit, die immer wieder aufgebrachte Geduld und die immer gezeigte Aufmerksamkeit, die Frau Haarmeyer und Frau Heinrichs den Frauen, dem Haus und uns Kolleginnen geschenkt haben.

Nach 2-jähriger Abwesenheit aus privaten Gründen bin ich im Sommer ins marianne-doell-haus zurückgekehrt. Andrea Mauritz hat während dieser Zeit die Einrichtung geleitet. Sabine Berkthold, die während dieser 2 Jahre eine geringfügige Beschäftigung im marianne-doell-haus bekleidete, hat im Sommer eine Stelle bei einem anderen Träger angetreten. Dennoch hat sie uns bis zum Herbst noch ehrenamtlich unterstützt, was uns sehr geholfen hat.

Seit meiner Rückkehr bilden Frau Mauritz, die seitdem eine Viertel-Stelle hat, und ich nun ein Leitungs-Duo.

Ich freue mich, wieder an Bord zu sein und mit meiner Kollegin das Schiff zu navigieren. Unterstützt werden wir dabei durch zwei Ihnen bereits bekannte Ehrenamtliche und einer seit November neu gewonnenen ehrenamtlichen Kollegin, Frau Ute Köster: wir freuen uns über den dringend gebrauchten Zuwachs im Team.

Am 26. Oktober feierten wir zusammen mit etlichen Gästen das 25-jährige Bestehen der Einrichtung. Einige von Ihnen folgten unserer Einladung, andere waren leider verhindert und haben deswegen den für mich eindrücklichsten Programmpunkt verpasst: ein Interview (mit Gesprächscharakter) von zwei ehemaligen Bewohnerinnen und unserer ehemaligen Kollegin Jutta Heinrichs, die die Unterhaltung, die unter 3 Gesichtspunkten geführt wurde, moderierte.

  1. In welcher Lebenssituation waren Sie/wie kam es dazu, dass Sie ins marianne-doell-haus eingezogen sind?

  2. Wie haben Sie die Zeit im marianne-doell-haus erlebt? Was war hilfreich? Was hätten Sie sich ggf. zusätzlich/anders gewünscht?

  3. Wie/wo leben Sie jetzt?

Nicht nur wir waren beeindruckt, wie ausführlich die Frauen die Impulsfragen beantworteten, wie sehr sie miteinander ins Gespräch kamen und wie viel Gutes sie offenbar während ihres Übergangswohnens bei uns erlebt haben und für ihr weiteres Leben mitnehmen konnten.

Im Verlauf des Jahres sind 11 Frauen ausgezogen, die überwiegend aus Notunterkünften und Mitwohnsituationen bei Bekannten zu uns kamen. Nach einer durchschnittlichen Verweildauer von 10,5 Monaten bezogen sechs die eigene Wohnung, eine wanderte aus zu einem Teil ihrer Herkunftsfamilie, eine weitere ging zurück zu ihrem Ex-Ehemann und eine Bewohnerin schloss einen Untermietvertrag. Für diese neun Menschen war das Wohnen, Sortieren und Bearbeiten von Schwierigkeiten im marianne-doell-haus offenbar zum richtigen Zeitpunkt die passende Unterstützung. Zwei Frauen konnten wir hingegen nicht erreichen: sie verließen das marianne-doell-haus mit unbekanntem Ziel. Die Altersstruktur der Ehemaligen zeigt eine große Bandbreite: von 18 Jahren bis zu 61 Lebensjahren inkl. aller dazwischenliegender Jahrzehnte. Mit allen genannten Eckdaten liegen wir im Prinzip in einer uns üblichen Normalverteilung; auffällig sind jedoch vermehrte Einzüge in Wohnungen, die Stiftungen gehören. Der allgemeine Wohnungsmarkt krankt; besonders hinsichtlich unserer Zielgruppe.

Jetzt sind es nur noch einige Tage bis Heiligabend, in denen Sie hoffentlich auch mal kurz innehalten können, um diese besondere Stimmung im Advent zu genießen.

Wir wünschen Ihnen mit Ihren Familien und Freunden frohe Weihnachten und ein gesundes, hoffnungsvolles neues Jahr.

Herzliche Grüße aus der Hospitalstraße,

Andrea Mauritz, Susanne Rohrmann & Team




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