Annemarie von Janson war eine echte soror optima. Sie hatte nie ein herausragendes Amt auf Club-, Unions oder Förderationsebene und war doch einer der wichtigsten Bausteine des Clubfundaments: ruhig und besonnen leistete sie Basisarbeit und sorgte für den Zusammenhalt der Clubschwestern. Zum 100. Geburtstag von SI möchten wir Annemarie ein Denkmal setzen und mit ihr den vielen Stillen, den Nicht-Spektakulären, die die Clubs zusammenhalten, sich um die Mit-Schwestern kümmern, neuen Mitgliedern ein Heimatgefühl geben und eine sensible Antenne für alles haben, was 'unrund' läuft, also all denen, die einen Club lebendig halten. Annemarie stand immer bereit, in der 2. Reihe, und da stand sie gern und wirkte ruhig und nachdrücklich für das Wohl des Clubs. Sie brauchte keine Ämter, um wichtig zu sein, wichtig für uns und für den Soroptimismus. In unserer schnelllebigen Zeit sind Clubschwestern wie sie selten geworden, Clubschwestern, die die Sache vor die eigene Sichtbarkeit stellen, im Hintergrund wirken, zuverlässig und pflichtbewusst, und allen im wahrsten Sinne des Wortes sorores optimae sind. Natürlich brauchen wir auch die anderen, die sich an die Spitze stellen, aber ein gut funktionierendes Clubleben ist ohne Clubschwestern wie Annemarie nicht möglich. Deswegen ist sie ein herausragendes Mitglied der großen SI-Familie.

Annemarie wurde 1912 in Königsberg in eine ostpreussische Gutsbesitzerfamilie hinein geboren. Sie machte die Mittlere Reife, lernte das Schneiderhandwerk, bestand 1935 ihre Gesellenprüfung, heiratete, bekam 2 Kinder und musste 1945 mit ihnen aus Ostpreussen fliehen, erreichte Schleswig-Holstein und verlor gleich darauf ihren Ehemann. 1946 erhielt sie eine Zuzugsgenehmigung (Mangelberuf: Schneiderin) nach Hamburg, machte sich noch vor der Währungsreform (1948) selbständig. In einem Zimmer, mit 2 Kindern, 4 Gesellen wurde genäht, anprobiert, gekocht, geschlafen.... Ihre Tüchtigkeit imponierte, sie bekam einen Bankkredit und konnte sich bald ein 'ordentliches' Schneideratelier einrichten, das sie erfolgreich bis zu ihrem späten Ruhestand führte.

1956 wurde der Club Hamburg als 5. Club der Deutschen Union gegründet. Annemarie war Gründungsmitglied und blieb bis zu ihrem Tod 2015 in Hamburg tätige Soroptimistin. Sie wurde fast 103 Jahre alt, aber eigentlich blieb sie immer jung, neugierig und offen für alle Entwicklungen und deswegen kompetente Gesprächspartnerin für alle Altersklassen. So lange es ihr gesundheitlich möglich war – bis in Ihre 90-er Jahre - nahm sie an Clubabenden, Ausflügen und Club-Reisen teil, immer mitten im Geschehen. Viele Clubmitglieder genossen ihr Gastfreundschaft. Als die Wege außer Haus beschwerlich wurden, lud sie regelmäßig einzelne Clubschwestern und kleine Gruppen zu sich nach Hause ein, war stets bestens informiert über alles, was sich im Club tat und scheute sich nicht, bei sich andeutenden Fehlentwicklungen gegen zu steuern, sensibel und nachdrücklich, so wie sie es in ihrem langen Leben gelernt hatte. Sie machte aus neuen Clubmitgliedern Soroptimisten, verhinderte, dass 'alte' Clubschwestern träge und inaktiv wurden und gab dem Clubleben immer wieder neue Impulse. 2006, in einem Interview des Fernsehsenders Hamburg 1 zum 50. Clubgeburtstag, betonte sie, wie wichtig ihr Freundschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Club immer gewesen seien. Dass wir darüber hinaus auch nachhaltig gesellschaftspolitisch wirken, war für sie selbstverständlich. Sie war eben eine der vielen echten sorores optimae.


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